Die durchschnittliche Bearbeitungszeit (Average Handling Time – AHT) ist nicht gerade das Lieblingsthema von WFM-Planern. Wenn von AHT die Rede ist, geht es meist darum, die Zeit für Kundeninteraktionen zu verkürzen, und so die Produktivität zu steigern. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Verringerung der durchschnittlichen Bearbeitungszeit doch eine gute Sache, oder? Nicht unbedingt, denn: Man kann die AHT nicht senken, ohne dadurch die Gesprächsqualität zu beeinträchtigen.
Im Folgenden finden Sie einige Tipps und Tricks, die Sie in Bezug auf die durchschnittlichen Bearbeitungszeit in Ihrem Contact Center beachten sollten.
Was man tun sollte
- Beachten Sie, dass die AHT als Leistungskennzahl (KPI) eher unwichtig ist. Man tappt schnell in die Falle, das zu kontrollieren und zu steuern, was man einfach messen kann. In den meisten Call Centern ist die AHT über die ACD, die Routing-Plattform oder die WFM-Anwendung leicht verfügbar. Die AHT ist durchaus von entscheidender Bedeutung, da sie sich auf Ergebnisse wie das Service Level, die erforderliche Anzahl an Mitarbeitern, die Betriebskosten und die Anrufqualität auswirkt. Sie müssen sie ständig überwachen. Aber für sich genommen ist die AHT kein echter Indikator für die Leistung eines Contact Centers (KPI – Key Performance Indicator).
- Widmen Sie der Prognose der AHT genauso viel Aufmerksamkeit wie der Prognose des Kontaktvolumens. Der Forecast ist die Basis Ihrer Planung. Die Berechnung des Mitarbeiterbedarfs ergibt sich sowohl aus dem Volumen als auch der AHT. Wenn Sie also die AHT falsch einschätzen, gefährden Sie dadurch Ihre gesamte Planung.
- Verwenden Sie Benchmarks der „idealen“ AHT. Finden Sie dafür einen oder mehrere Mitarbeiter, bei denen AHT und Qualität perfekt aufeinander abgestimmt sind. Dabei muss es sich nicht unbedingt um Mitarbeiter mit der kürzesten durchschnittlichen Bearbeitungszeit handeln. Es können auch Mitarbeiter sein, deren AHT 10% länger ist als der Durchschnitt des Teams, deren Qualitätsergebnisse oder Verkaufszahlen aber regelmäßig 20% besser sind als der Durchschnitt des Teams.
- AHT kann keine Einheitsgröße für alle sein. Seien Sie realistisch, was die AHT-Ziele angeht, die Sie den einzelnen Mitarbeitern zuweisen. Normalerweise gleicht die AHT Ihrer Belegschaft einer Normalverteilung oder „Glockenkurve“. Ein guter Ansatz dabei ist, Ihre Mitarbeiter in 3 Stufen einzuteilen: Anfänger, voll ausgebildete Mitarbeiter und Spitzenkräfte. Für jede Stufe sollten Sie einen zulässigen AHT-Bereich festlegen. Sie werden nie den Idealzustand erreichen, in dem jeder Mitarbeiter auf der Stufe „Top-Performer“ ist. Selbst bei einer geringen Personalfluktuation wird es immer Mitarbeiter geben, die trainiert werden müssen und sich verbessern können.
- Denken Sie daran, dass die AHT je nach Tageszeit, Wochentag usw. variiert. Anrufe am Abend dauern in der Regel länger als Anrufe während eines Arbeitstages, weil die Kunden dann mehr Zeit haben. Wenn Sie den erforderlichen Mitarbeiterbedarf anhand einer festen AHT berechnen, führt das mit ziemlicher Sicherheit zu Unter- und Überbesetzung, was sich negativ auf die Kundenzufriedenheit und den Stresspegel der Mitarbeiter auswirkt. Gute WFM-Anwendungen wie Peopleware prognostizieren automatisch mit schwankender AHT und berechnen dementsprechend den Personalbedarf.
- Überprüfen Sie Ihre AHT-Daten regelmäßig auf Ausreißer. Angenommen, Sie verzeichnen ein hohes Aufkommen an sehr kurzen Anrufen, z.B. aufgrund eines technischen Problems. Wenn diese kurzen Anrufe in die AHT-Berechnung einbezogen werden, wird das Ergebnis die tatsächliche AHT verfälschen. Achten Sie darauf, dass Sie von Ihrer ACD-Anlage oder Routing-Plattform einen Bericht erhalten, der die Verteilung der Bearbeitungszeiten genau aufzeigt.
Was man besser lassen sollte
- Verlassen Sie sich nicht darauf, dass eine vorgegebene durchschnittliche Bearbeitungszeit erreicht wird. Validieren Sie dies immer anhand von klaren Datenpunkten, z.B. indem Sie Testanrufe durchführen. Es ist besser, vorab Tests in Form von Rollenspielen durchzuführen und während solch einer Simulation zu scheitern, als eine AHT zu implementieren, die mit Sicherheit zu verärgerten Kunden und überforderten, gestressten Mitarbeitern führen wird.
- Verwenden Sie die historische durchschnittliche Bearbeitungszeit nicht als Indikator für Ihre zukünftige AHT. Denn: Wenn Sie Maßnahmen ergriffen haben, um Anrufe effizienter zu gestalten, kann die AHT sinken. Wenn Sie die Qualität verbessert oder die Preise erhöht haben, kann sie steigen. Berücksichtigen Sie bei der Prognose der AHT somit immer die jüngste Vergangenheit. Zudem sollten Sie proaktiv Informationen über bevorstehende Ereignisse oder Veränderungen sammeln und diese in die Berechnung einbeziehen.
- Vergessen Sie nicht, dass die AHT auch von der Mitarbeiterfluktuation abhängt. Eine hohe Fluktuation erhöht nicht nur die Kosten für Rekrutierung, Onboarding und Schulungen, sondern auch die AHT. Wenn Sie Maßnahmen ergreifen, um das Engagement und Wohlbefinden der Mitarbeiter zu verbessern, senken Sie die Fluktuation – und damit auch die AHT
- Glauben Sie nicht, dass bereits alle Maßnahmen zur Senkung der AHT durchgeführt wurden. Es gibt immer Stellschrauben, an denen man drehen kann. Ein Beispiel: Es kommt immer wieder vor, dass Kunden während des Telefongesprächs erneut Informationen angeben müssen, die sie bereits über das Sprachdialogsystem (IVR) eingegeben haben. Dieser Fehler kommt häufiger vor, als viele denken – und verärgert Kunden sehr.
- Haben Sie keine Angst zu äußern, dass eine längere durchschnittliche Bearbeitungszeit zu besseren KPIs führen kann. Wenn Sie belastbare Zahlen vorlegen, die zeigen, dass eine längere AHT zu besseren Ergebnissen bei den entscheidenden Kennzahlen führt, haben Sie gute Chancen, das nötige Budget zu erhalten, um das Personal entsprechend der optimalen AHT aufzustocken.
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