Alles fängt bei der Bedarfsprognose bzw. dem Forecast an. Alles was in Bezug auf Service Level, Auslastung, durchschnittlicher Zeit bis zur Anrufannahme (avg. speed of answer = ASA) und Rate der abgebrochenen Anrufe (Abandon Rate) im Call Center passiert, lässt sich darauf zurückführen, wie genau die Prognose war. Es gibt viele unterschiedliche Meinungen dazu, wie man die Forecast-Genauigkeit am besten misst. Welche Argumente für die verschiedenen Meinungen angeführt werden, hängt von unterschiedlichen Faktoren in der Einsatzplanung im Call Center ab...
Ein wichtiger Punkt hier ist die Branche, in der das Call Center tätig ist. Des Weiteren müssen auch die prognostizierten Kontakttypen in Betracht gezogen werden und vor Allem ob verlässliche Daten für die Prognose zur Verfügung stehen.
In Wirklichkeit gelten die meisten Grundprinzipien für alle Call Center. Zunächst ist es wichtig, sich nicht nur auf Glaubenssätze wie „aber wir sind anders, weil…“ zu berufen – eine Falle, in die leider viele Unternehmen tappen.
Vielmehr sollte Ihr unternehmerisches Handeln in einer Reihe allgemeingültiger Prinzipien verankert sein.
Das erleichtert Ihnen sowohl den Vergleich mit anderen Firmen als auch das Einarbeiten neuer, fähiger Mitarbeiter, denn die Positionen werden austauschbarer.
Fangen wir damit an, wie man es NICHT machen sollte:
1. Legen Sie nicht einfach deshalb ein Ziel fest, weil irgendein Chef sagt: “Also, in meinem letzten Call Center hatten wir eine Genauigkeit von 98%”
Schon beim Schreiben kriege ich Bauchschmerzen, wie sicherlich viele von Ihnen, deren Leistung auf Grundlage solcher Behauptungen bewertet wird.
Diese Aussage ist nämlich völlig bedeutungslos, solange nicht ein paar wesentliche Faktoren definiert sind: nämlich die Schwelle (etwa, dass sich die Prognose auf einen Zeitraum bezieht, der 90 Tage in der Zukunft liegt), das Prognosemaß (waren es Anrufe? FTE, also Vollzeitmitarbeiter?) und die Häufigkeit (täglich, wöchentlich oder monatlich).
Eigentlich bedeutet diese Aussage nur, dass der Chef sich nicht mit einem guten Ergebnis zufrieden geben will und das Gefühl hat, das Ziel höherzuschrauben, um noch mehr Verbesserung rauszuholen.
2. Nutzen Sie nicht “den Durchschnitt” als Maß
Durchschnittswerte können ziemlich irreführend sein, und sie können Sie glauben lassen, dass Sie gute Arbeit leisten, obwohl sie gar nicht die Information liefern, die für das Unternehmen wichtig wäre.
Durchschnittswerte sind sehr einfach zu kommunizieren und sehr leicht zu gewinnen. Deshalb ist es nur verständlich, dass viele Leute diese Abkürzung nehmen.
3. Erstellen Sie keine “technisch sauberen”, aber unbrauchbaren Prognosen
Was bedeutet das? Es heißt, dass Sie vielleicht Ihre Formeln und Berechnungen korrekt ausgeführt haben – Ihre Führungsebene, die auf dieser Grundlage Unternehmensentscheidungen treffen soll, sie aber trotzdem nicht verstehen kann.
Für Einsatzplaner ist das vermutlich die größte Herausforderung. Ihr Job ist es, zwischen der präzisen und der nützlichen Bedarfsprognose oder Forecast das Gleichgewicht zu halten. Im Zweifel ist es besser, eine etwas weniger akkurate Prognose zu haben als eine, die kein Mensch versteht.
Okay: Jetzt, wo wir wissen, wie man es nicht machen sollte, kommen wir dazu, wie Sie es idealerweise machen sollten.
Beginnen Sie in der Einsatzplanung immer mit der Basis-Prognose:
Dabei nehmen Sie einfach Ihre historischen IST-Daten und projizieren diese in die Zukunft. Das Vorgehen ist einfach und sauber und zeigt Ihnen, wie der Weg wahrscheinlich aussieht, sofern es keine besonderen Veränderungen gibt.
Es gibt Ihnen auch einen Vergleichswert an die Hand. Wenn Sie nämlich als Nächstes zukünftige Veränderungen einberechnen (etwa neue Kunden, Veränderungen der Produktivität, andere Geschäftsinformationen), kann es schnell passieren, dass Sie aus den Augen verlieren, wie jeder einzelne dieser Einflüsse die Bedarfsprognose verändert.
Um aber eine saubere Varianzanalyse durchführen zu können, müssen Sie die Varianz auf die Informationen und Variablen zurückführen können, die in das Forecasting eingeflossen sind.
Nutzen Sie zur Berechnung der Bedarfsprognose immer unterstützende Technologie
So leid es mir tut: Excel ist einfach nicht mehr gut genug für eine optimierte und bedarfsorientierte Einsatzplanung im Call Center.
Es stimmt schon, Excel ist immer greifbar, und Sie kennen sich bereits damit aus und wissen, wie Sie die Daten manipulieren müssen.
Und Sie haben wahrscheinlich schon Unmengen miteinander verlinkter Arbeitsblätter in Ihren Excel-Dateien.
Es mag sein, dass Excel ausreicht, um einigermaßen durch den Arbeitstag zu kommen.
Aber da sich Call Center weiterentwickeln (genauso wie die Vorlieben der Kunden bezüglich der verschiedenen Kommunikationskanäle), werden Sie zunehmend mehr neue Daten bekommen, die sich nicht mehr auf dieselbe einfache Weise modellieren lassen wie Anrufvolumina.
Außerdem macht Excel es einem unglaublich schwer, Ergebnisse auf eine einfache, verständliche Weise zu kommunizieren.
Hierbei sollten Sie sich die Frage stellen, ob eine professionelle Workforce Management Software Ihren Planungsanforderungen besser gerecht wird.
Geben Sie bei der Einsatzplanung immer eine Genauigkeitserwartung an
Wenn Wetterkarten die Entwicklung eines Wirbelsturms darstellen, werden die Darstellungen immer größer, je weiter der dargestellte Zeitpunkt in der Zukunft liegt.
Die Meteorologen wissen ja, wo der Wirbelsturm heute ist. Wenn sie vorhersagen, wo er morgen sein wird, ist die Fehlerspanne noch recht klein, aber dieser „Unsicherheitskegel“ wächst, wenn es um die Berechnung der Situation in mehreren Tagen geht.
Es ist völlig nachvollziehbar, dass die Prognose, die für 90 Tage im Voraus erstellt wird (etwa für Einstellungsentscheidungen), weniger präzise ist als die für einen Zeitpunkt, der nur 30 Tage in der Zukunft liegt (zum Beispiel für Personalanpassungen). Das ist eine Tatsache!
Wenn Sie offen und transparent damit umgehen, wird das Ihre Glaubwürdigkeit stärken.
Außerdem können Sie Ihren Mitarbeitern auf diese Weise allmählich nahebringen, dass das Forecasting als Bestandteil der Einsatzplanung im Call Center eben nicht eine Genauigkeitszahl ist (Sie erinnern sich an das Beispiel mit den „98% Genauigkeit“?).
Mehr zum Thema Forecast-Genauigkeit gibt es hier:
Wie Sie die Forecastgenauigkeit im Call Center richtig messen
Sobald Sie eine Prognose haben, teilen Sie sie mit Kollegen aus dem operativen Geschäft oder mit dem zuständigen Leitungsteam.
Holen Sie deren Feedback und Gedanken ein. Forecasting ist ein gemeinschaftlicher Prozess, der sowohl auf Wissenschaft als auch auf Handwerk basiert. Die Wissenschaft ist dabei der einfache Teil, denn dabei geht es um Formeln und eindeutige Verfahren.
Die Herausforderung liegt im handwerklichen Teil, denn hier kommen subjektive Aspekte hinzu. So könnte etwa irgendjemand eine bestimmte Meinung dazu vertreten, ob Kunden Ihre Firma aufgrund eines Produktwechsels öfter kontaktieren sollten.
Holen Sie diese Leute ins Boot und lassen Sie sie sich aktiv am Prozess beteiligen (und teilen Sie folglich auch einen Teil der Verantwortung mit ihnen!).
Sie können diese Beziehungen auch dazu nutzen, Ihre Ergebnisse zuerst in einem sicheren, konstruktiven Umfeld zu präsentieren.
Wenn die Mitarbeiter die Prognose erstmals in einer großen Gruppe zusammen mit ihren Chefs sehen, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass sie die Ergebnisse in Frage stellen.
Wenn sie sie aber bereits gesehen haben, wissen Sie, welche Reaktionen Sie zu erwarten haben – unabhängig davon, ob Ihre Mitarbeiter die Zahlen nun gut finden oder nicht.
Dann können Sie auch gleich betonen, dass es schon Bedenken gegeben hat und dass auf diese bereits eingegangen wird. Stellen Sie sich niemals mit Ihrer Prognose vor ein Publikum, ohne Schutzmaßnahmen ergriffen zu haben.
Was also sind Ihre nächsten Schritte in der Einsatzplanung?
Sehen Sie sich noch heute Ihren Prognose-Prozess an. Ist es eine einseitige Kommunikation, oder ein gemeinschaftlicher Prozess?
Verlassen Sie sich dabei voll und ganz auf Excel, oder haben Sie Unterstützung von einer Workforce Management Software?
Nutzen Sie Durchschnittswerte, um Ihre Varianz oder Standardabweichung zu messen?
Wie offen ist Ihr Arbeitsumfeld – sowohl im technischen als auch im operationalen Sinne – gegenüber Veränderungen?
Sprechen Sie mit Ihren Chefs darüber, wie Ihre Prognosen genauer werden könnten.
Und das Allerwichtigste: Beginnen Sie, den Status Quo zu hinterfragen. Nur so kann Ihre Einsatzplanung im Call Center auch nachhaltig und effizient sein.
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